Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg hat die Ganztagsschule nun gesetzlich geregelt. Dies ist der richtige Weg, um soziale Ungerechtigkeit zu mildern, kommentiert die StZ-Redakteurin Renate Allgöwer.

Stuttgart - Grüne und SPD in Baden-Württemberg haben am Mittwoch nicht die Ganztagsschule erfunden. Auch wenn sie nicht müde werden, den Tag ihrer Gesetzesänderung als historisch, ihren Vorschlag als wegweisend zu loben. Die Koalition hat nicht das Schulwesen auf den Kopf gestellt, aber sie hat einen entscheidenden Schritt dahin gemacht, dass Ganztagsschulen im Südwesten Normalität werden können. Nun sind die Rahmenbedingungen gesetzlich definiert.

 

Der politische Wille ist klar: Im Südwesten soll es mehr Ganztagsschulen geben. Das ist ein Fortschritt. Ganztagsschulen sind der richtige Weg, die soziale Ungerechtigkeit im Bildungswesen zu mildern. Sie bieten die besten Möglichkeiten zur individuellen Förderung der Schüler. Dass der Ausbau an den Grundschulen beginnt, ist konsequent und richtig. Bisher tut sich für viele Eltern nach dem Kindergarten in der Grundschule eine Betreuungslücke auf.

Die Absicht, eine durchgehende Betreuung vom Kleinkindalter bis zum Ende der Grundschule sicher zu stellen, entspricht den Wünschen der Eltern, aber auch den Anforderungen der Wirtschaft. Der Ausbau des Ganztagsbetriebs an Grundschulen ist zudem ein weiterer Schritt, Ganztagsschulen von dem Ruch zu befreien, sie seien etwas für sozial benachteiligte Schüler.

Grüne und SPD machen große Zugeständnisse

Betreuung steht bei den Angeboten in der Grundschule zweifellos im Vordergrund. Doch Ganztagsschule ist mehr als Betreuung. Sie erlaubt in ihrer Reinform neue Gestaltungsmöglichkeiten des Lernprozesses. Über den Tag verteilt können sich traditioneller Unterricht, individuelle Vertiefungsphasen, musische Angebote oder Sport abwechseln. Diese Rhythmisierung verspricht den größten Lernerfolg. Sie setzt aber eine verbindliche Teilnahme aller Schüler voraus. Wenn nur die halbe Klasse beim Ganztag mitmacht, und die andere Hälfte mittags nach Hause geht, schränkt dies das Nachmittagsangebot zwangsläufig ein. Verpflichtender Lernstoff kann dann nicht behandelt werden.

Man kann getrost voraussetzen, dass zumindest die Bildungspolitiker der Regierungsparteien um die pädagogischen Vorteile eines verpflichtenden Ganztagsangebots für alle Kinder wissen. Mit ihrer Gesetzesnovelle machen Grüne und SPD große Zugeständnisse. Die verschiedenen Möglichkeiten, die das Gesetz eröffnet, zeigen, dass die Koalition erkannt hat, was im Land machbar ist: Eltern wollen zwar Ganztagsangebote, aber nicht zu viele und möglichst flexible.

Die Schulen müssen nun durch Erfolge überzeugen

Mit der Gesetzesänderung wird gerade nicht jede Grundschule dazu verpflichtet, Ganztagsbetrieb anzubieten. Neben der verbindlichen Form wird es die Wahlform geben. Es ist zu erwarten, dass die wenigsten Grundschulen komplett auf verbindlichen Ganztagsbetrieb umstellen werden. Die Mehrzahl der 2500 Grundschulen im Land sind klein, einzügig zumeist. Die weitaus meisten von ihnen werden sich für die Wahlform entscheiden. Ein Teil der Kinder wird nachmittags nach Hause gehen, ein anderer Teil wird die Ganztagsangebote besuchen. Je nachdem, was die Eltern wünschen. Diese Wahlfreiheit bringt die Idee der Ganztagsschule schon hart an ihre Grenzen, denn die kleinen Schulen werden klassen- und jahrgangsübergreifend arbeiten müssen. Noch mehr Flexibilität – wie sie die CDU verlangt – ist nicht möglich. Eine weitere Aufweichung würde bloße Betreuung bedeuten und zu Lasten der Qualität von Ganztagsschulen gehen.

Anders als bisher finanziert das Land in Zukunft auch Lehrerstellen für die Ganztagsschulen der Wahlform. Das wird die pädagogische Qualität auch in diesen freiwilligen Angeboten steigern. Damit hat die Regierung die Weichen gestellt, damit Ganztagsschulen zeigen können, dass sie pädagogischen Mehrwert bieten. Mehr kann die Politik nicht tun. Überzeugen müssen die Schulen durch ihre Erfolge.